Ein Nikolaussack voller Namen
Freiburg, 26.11.2018
Wenn am 6. Dezember der Nikolaustag gefeiert wird, steht dies in einer jahrhundertealten Tradition, denn der Brauch des Beschenkens ist schon für die Zeit vor der Reformation im Jahr 1517 bezeugt. Die Verehrung des Heiligen Nikolaus von Myra geht in Westeuropa auf das frühe Mittelalter zurück. „Seit dieser Zeit ist er der beliebteste Heilige überhaupt“, sagt Sprachwissenschaftlerin Dr. Kathrin Dräger vom Deutschen Seminar der Albert-Ludwigs-Universität.
Wegen dieser enormen Popularität seien seit dem Mittelalter viele Kinder nach dem Heiligen benannt worden. „In manchen Gegenden des deutschsprachigen Raums trug zeitweise bis zu einem Viertel der männlichen Bevölkerung einen Rufnamen, der auf Nikolaus zurückgeht“, erläutert Dräger. Aus dem langen Namen mit seiner für das Deutsche ungewohnten Lautstruktur habe sich rasch eine Vielzahl von Kurz- und Koseformen entwickelt, wie etwa Klaus, Claas, Klees, Klose, Nickel oder Nietzsche. Viele dieser Formen seien im heutigen Rufnamenschatz kaum noch bekannt, während andere durchaus geläufig seien. „Klaus, Niklas und Nicole, eine weibliche französische Form von Nikolaus, zählen zu den beliebtesten Rufnamen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.“ Niklas habe es zuletzt im Jahr 2002 in die Top Ten der Rufnamengebung geschafft.
Da die Zeit der Familiennamenbildung im Wesentlichen ins hohe und späte Mittelalter falle, sei Nikolaus mit seinen Kurz- und Koseformen auch in großer Zahl in die Familiennamen eingegangen. „Mindestens 1.000 verschiedene Familiennamen in Deutschland lassen sich auf Nikolaus zurückführen. Sie entfallen auf fast 300.000 Personen.“ Der häufigste Familienname sei Nickel mit etwa 24.000 Namenträgerinnen und Namenträgern, gefolgt von Klose, Klaus, Claus und Nitsche.
Seltener seien die Familiennamen aus der Rufnamen-Vollform wie Nikolaus. „Die große Vielfalt der Familiennamen beruht darauf, dass sie im deutschen Sprachgebiet nie an eine Rechtschreibnorm angeglichen wurden.“ Allein den Namen Clasen gebe es in 39 verschiedenen Schreibweisen: Claassen, Claßen, Klahsen und viele weitere.
Häufige Personennamen dringen oft in den allgemeinen Wortschatz ein. So lasse sich das Heinzelmännchen auf eine Kurzform von Heinrich zurückführen, und benachteiligten Menschen werde der Schwarze Peter zugeschoben. „Nikolaus begegnet zum Beispiel in der Bezeichnung Pumpernickel für eine Sorte Schwarzbrot und in Schimpfwörtern wie Saunickel oder Zornnickel.“ Und das Wort Nikotin gehe auf einen französischen Gesandten namens Nicot zurück, der den Tabak in Frankreich einführte. Dieser Familienname beruhe wiederum auf einer französischen Koseform von Nikolaus. „So kommt es, dass in unserem Namen- und Wortschatz Nikolaus saisonal unabhängig reichlich vertreten ist.“
Kathrin Dräger hat von 1999 bis 2006 Sprachwissenschaft des Deutschen, Neuere und Neueste Geschichte sowie Wissenschaftliche Politik an der Universität Freiburg studiert. 2012 wurde sie zum Thema „Familiennamen aus dem Rufnamen Nikolaus in Deutschland“ an der Universität Freiburg promoviert. Seit 2005 arbeitet sie im DFG-Projekt „Deutscher Familiennamenatlas (DFA)“ der Universitäten Freiburg und Mainz.
Dr. Kathrin Dräger
Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands (DFD)
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